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Astrologie und Glaube?

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Zu glauben ist schwer, nichts zu glauben ist unmöglich.

(Victor Hugo)

Die meiste Zeit meines erwachsenen Lebens begreife ich mich als Agnostiker, der vieles für möglich hält, aber nichts mit Sicherheit wissen kann. Ich erlebe im Älterwerden eine zunehmende Offenheit gegenüber anderen Standpunkten und Wissensgebieten, gleichzeitig aber auch immer höhere Ansprüche an die Qualität des Wissens und eine (hoffentlich) bessere Urteilsfähigkeit. Mein agnostischer Standpunkt betrifft auch die Astrologie, insofern ich es für möglich halte, dass vieles von dem, was wir astrologisches Wissen nennen, möglicherweise unsere in den Himmel projizierten Phantasien und Ideen sind. Darauf möchte ich aber weiter unten noch näher eingehen.

Wenn ich im Gespräch mit Freunden und Bekannten das Thema Astrologie anschneide, werde ich immer wieder gefragt: “Glaubst du denn daran?” Wenn ich dann diese Frage ebenso klar mit “Nein” beantworte, ernte ich meist große Verwunderung. Aber meines Erachtens ist die Astrologie tatsächlich keine Sache des Glaubens. Woran sollte man auch glauben, wenn man an Astrologie glaubt? Etwa an den Einfluss der “Sterne”, die eigentlich Planeten sind? Das wäre sicherlich eine Möglichkeit, aber ich glaube auch daran nicht. Und zwar, weil es gar nicht notwendig ist. Wenn man sich jahrelang mit Astrologie und der Interpretation von Horoskopen beschäftigt, macht man schlicht und einfach die Erfahrung, dass sie “funktioniert”.

Und Erfahrung ist auch das Einzige, worauf ich wirklich sicher bauen kann, worüber ich wirklich mit Autorität sprechen kann und was mich letztendlich in meiner Entwicklung weiterbringt. Geborgtes Wissen macht maximal einen Gelehrten, aber sicher keinen weisen Menschen aus.

Eine Erfahrung, die ich immer wieder gemacht habe, ist, wie verblüfft Menschen sein können, wenn ich ihnen, ohne sie jemals zuvor gesehen zu haben, erkläre, welche subtilen Mechanismen in ihren Beziehungen ablaufen oder welcher Art ein befriedigender Job für sie zu sein hat und wo ihre geheimen Vorlieben und ihre Lebensschwerpunkte liegen. Wie kann ich das alles wissen? Ich meine, weitaus die meisten Menschen machen, wenn sie sich das Horoskop deuten lassen, die Erfahrung, dass “irgendwie was dran ist”. Und sofern es unangenehm ist, was sie erfahren, kommt rasch die Reaktion: “Aber ich glaube ja nicht an so was!” Das ist vielleicht ein berechtigter Bewältigungsmechanismus. Ich habe auch schon Menschen getroffen, die ganz unverblümt gesagt haben: “Solange es positiv ist, was du mir sagst, glaube ich daran, sonst nicht.” Solche Sätze sind sicherlich auch ein Hinweis, dass die Astrologie Angst auslöst.

Das mag vielleicht auch damit zu tun haben, dass die Art und Weise wie Astrologie von manchen Astrologinnen und Astrologen betrieben wird, tatsächlich Angst macht. So etwa, wenn Pluto- oder Saturntransite häufig als “ganz schlecht” und Jupiter-Transite als ausschließlich gut gedeutet werden. Oder wenn in einem Radix ein Quadrat eine “Katastrophe” ist, während ein Trigon als ausschließlich günstig gedeutet wird.

Selbstverständlich gilt das ganz generell, dass Beratung keine Angst machen soll. Sie soll im Gegenteil Potenziale aufzeigen und Menschen ermutigen, Neues auszuprobieren. Ganz besonders gilt das aber für astrologische Beratungen, die ohnehin mit noch mehr Vorurteilen, Klischees und Verzerrungen behaftet sind. Dies reicht von Astrologie als Partyunterhaltung und -belustigung, über stark vereinfachende Aussagen, die sich nur auf das Sonnenzeichen (vulgo Sternzeichen) beziehen, bis hin zu sogenannt wissenschaftlichem Skeptizismus oder gar fanatischer Gegnerschaft.

Irgendwie wissen wir alle, dass wir bestimmte Lebensbereiche nicht voll unter Kontrolle haben, dass sie unter einem anderen Einfluss stehen, der jenseits unseres Macht- und Wirkungsbereiches liegt. Wir reden im alltäglichen Sprachgebrauch ja auch von “sinnlosem Leid” und “schwerem Schicksal”, wenn wir den Eindruck haben, dass es jemanden im Leben besonders hart getroffen hat. Wenn wir so reden, ist für uns klar, dass jemand dieses Leid oder jenes Schicksal nicht selbst gewählt hat. Es läuft also alles auf die Frage hinaus: “Wie viel in unserem Leben ist völlig frei gewählt und selbstbestimmt und wie viel ist schicksalhaft (oder besonders zeitgemäß ausgedrückt: genetisch) bedingt?” Für die beunruhigende Färbung der Frage nach dem Schicksal spielt es keine Rolle, ob man von Genetik, Gott oder Karma spricht. All diese Begriffe führen uns zu dem Bewusstsein: “Wir haben nicht alles unter Kontrolle”.

Die Astrologie ist letztlich genauso wenig oder genauso viel eine Sache des Glaubens wie etwa die Genetik. Und vielleicht wird uns eine vollständige DNA-Analyse eines Tages genauso viel Information liefern, wie ein guter Astrologe aus einem Geburtshoroskop entnehmen kann. Die Astrologie ist, wenn man so will, eine der ältesten empirischen Wissenschaften überhaupt. Denn es waren Astrologen, die jahrhunderte- und jahrtausendelang Planetenstände, Konstellationen und Zyklen beobachtet und ihre Schlüsse daraus gezogen haben. Im einfachsten Fall kamen sie zu solchen Schlüssen wie: Wenn auf der Nordhalbkugel die Sonne im Steinbock steht, ist Winter und wenn sie im Krebs steht, sagen wir, es ist Sommer. Im komplexeren Fall konnten sie schließlich die Geburtshoroskope von Individuen interpretieren und stellten zum Beispiel fest, dass ein Mensch mit sehr vielen Planeten in Luftzeichen (Zwillinge, Waage und Wassermann) sehr intellektuell und geistig orientiert ist und ein anderer mit besonders vielen Planeten in Wasserzeichen (Krebs, Skorpion und Fische) überwiegend gefühlsbetont auf das Leben reagiert.

Die empirische Beobachtung zeigt, dass die Astrologie funktioniert und das ist keine Frage des Glaubens. Eine berechtigte Frage ist aber sicherlich, warum sie funktioniert. Ich habe dazu zwei Theorien und neige eher zur Annahme, dass die zweitere richtig ist:

  1. Es gibt eine physikalische Wirkung der einzelnen Planeten, die lediglich mit bisherigen wissenschaftlichen Methoden noch nicht nachweisbar ist.
  2. Die Planeten und ihre Konstellationen bewirken für sich gar nichts, sie zeigen lediglich Zeitqualitäten an, analog einer Uhr, die zwar anzeigt, dass es 15:00 Uhr ist, aber dies nicht bewirkt.

Ich rede hier vom Synchronizitätsprinzip oder dem Prinzip akausaler Zusammenhänge (Jung, 2001). Diese Prinzip entspricht (vereinfacht ausgedrückt) auch dem östlichen Denken. Im Westen denkt man überwiegend kausal. Wenn A dann B (z.B.: wenn es regnet, werde ich nass; wenn ich einen Regenschirm benutze, werde ich weniger oder gar nicht nass). Das östliche Denken gestaltet sich eher nach dem Muster: es geschah A und B und C. Es ist also beobachtend und beschreibend und nicht wertend und erklärend.

So gesehen ist es eigentlich unzulässig, zu sagen: “Jemand ist Widder und deshalb handelt er impulsiv”. Es müsste vielmehr heißen: “Jemand ist Widder und er ist impulsiv und spontan”. Die Astrologie zieht daraus den Schluss, dass Widder spontan und impulsiv sind und zwar, weil das immer wieder beobachtet wurde.

Im Rahmen der Psychotherapie arbeiten insbesondere jene Therapeuten, die mit systemischen Aufstellungen arbeiten, ganz selbstverständlich mit diesem Prinzip. Und sie stellen dabei gar nicht einmal mehr die Frage, wie das möglich ist, dass eine völlig fremde Person plötzlich Gefühle, Gedanken und Körperempfindungen hat, die die Großmutter des aufstellenden Klienten immer wieder berichtet hatte. Wenn wir also die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass unsere Welt von Sinn erfüllt ist, so fällt es nicht mehr allzu schwer, Planetenkonstellationen am Himmel als symbolische Entsprechungen einer Zeitqualität zu sehen, die sich auch auf der Erde zeigt.

Mir gefällt dabei die oben erwähnte Metapher der Uhr, die ebenfalls die Zeit nicht macht oder erzeugt, sondern nur anzeigt. Wer aber die Zeit macht, die wir irgendwann aus den Bewegungen der Sonne und der Erde abgeleitet haben, wissen wir ebenso wenig, wie wir wissen, wer die Bewegungen der Planeten macht. Die Bewegungen der Planeten sind vielmehr das, was wir vorfinden und wahrnehmen können. Und wie wir am Fallen der Blätter von den Bäumen schließen, dass es Herbst wird ohne dass die fallenden Blätter den Herbst “machen”, können wir an den von der Erde aus beobachteten Planetenbewegungen Schlüsse daraus ziehen, welche Themen uns auf der Erde beschäftigen werden. Und diese Schlüsse sollten wir immer wieder überprüfen, überprüfen und noch mal überprüfen. Insofern ist Glaube in der Astrologie irrelevant. Es geht vielmehr um Beobachtung, Vergleichen und hypothesen­geleitetes Schließen, solange bis wir eine Hypothese verwerfen müssen, weil zu viele Fakten dagegen sprechen.

Nichts anderes machen wir in der Psychotherapie. Wir beobachten, vergleichen mit erlerntem Wissen und bilden Hypothesen über unsere Klienten, wobei wir versuchen so offen wie möglich zu bleiben, um zu sehen, ob diese Hypothese erhärtet werden kann oder verworfen werden muss.

Divination und die Hypothese eines holographischen Universums

Gerade in letzter Zeit neige ich übrigens noch zu einem dritten Erklärungsmodell, was die Astrologie angeht und damit möchte etwas näher auf meinen im ersten Absatz erwähnten Skeptizismus eingehen.

Menschen aller Zeitepochen haben sich mit sogenannten divinatorischen Methoden beschäftigt. Im einfachsten Verständnis bedeutet Divination Wahrsagen oder Weissagen. Im modernen religionswissenschaftlichen Verständnis meint Divination gemäß Rudolf Otto das Vermögen, das Heilige in der Erscheinung echt zu erkennen und anzuerkennen (Divination, Wikipedia, 2013).

Die Römer hatten beispielsweise versucht, aus dem Flug der Vögel oder aus den Eingeweiden der Tiere die Zukunft vorauszusagen. Und eben das, sich Kenntnisse über die Zukunft zu verschaffen, war wahrscheinlich auch die Hauptmotivation der Menschen, sich mit Astrologie zu beschäftigen. Denn ich wage sehr zu bezweifeln, dass die Astrologie auch nur 100 Jahre alt geworden wäre, wenn der Hauptantrieb der ersten Astrologen der gewesen wäre, die eigene Seele zu ergründen, wie das heute vor allem die psychologische Astrologie tut.

Wenn aber, und das unterstelle ich jetzt einmal, der Flug der Vögel, die Schau der Eingeweide von toten Tieren, das Tarot, das I Ging und viele andere Techniken ebenso gut in der Lage sind, Voraussagen über die Zukunft zu treffen, wie das die Astrologie vermag, dann müssen wir möglicherweise für ein Erklärungsmodell viel breiter ansetzen.

Und ein solch breiter Ansatz ist für mich die Theorie des holographischen Universums, das auf David Bohm und Karl Pribram zurückgeht (Pribram, Wikipedia, 2013). Wirft man einen Laserstrahl auf ein Hologramm, so erzeugt der reflektierte Laserstrahl ein dreidimensionales Bild der im Hologramm gespeicherten Information. Besonders interessant aber ist, dass das Zerbrechen eines Hologramms in mehrere Teile bewirkt, dass jedes einzelne Teilfragment des Hologramms wiederum in der Lage ist, das gesamte 3D-Bild zu erzeugen.

In einem holographischen Universum bedeutet das konsequente Weiterdenken dieser Eigenschaft von Hologrammen, dass es letztendlich egal ist, welchen Teil der Welt wir betrachten, wir können bei entsprechender Schulung und Erfahrung immer das Ganze erkennen. Die Astrologie nutzt dafür eben die Bahnen der Planeten in ihrer Stellung im Tierkreis und gelangt recht häufig zu gültigen Resultaten. Das Ganze ist aber, wie das Meditationsschulen des Ostens lehren, ohnehin bereits in uns vorhanden. Und so könnte es sein, dass die Astrologie letztendlich eine von vielen möglichen Projektionen unseres Geistes auf die Welt ist.

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass an der Astrologie gar nichts dran ist. Es würde aber sehr wohl bedeuteten, dass wir uns sehr tief auf uns selbst (!) und auf das astrologische Modell einlassen müssen, um überhaupt irgendetwas Brauchbares aussagen zu können. Vielleicht ist das mit ein Grund, warum ich die Astrologie fast ausschließlich als Instrument der Selbsterkenntnis benutze und als Weg, möglicherweise auch anderen Menschen einen anderen Blick auf die Welt und ein anderes Bewusstsein zu vermitteln.

Und die wissenschaftliche Redlichkeit gebietet mir, in allem was ich tue, erforsche und worauf ich mich einlasse, immer im Hinterkopf zu behalten: es könnte vielleicht auch alles ganz anders sein, möglicherweise irre ich mich oder vielleicht ist an diesem Modell ja auch gar nichts dran.

Vor langer Zeit sagte einmal ein sehr weiser Freund zu mir: “Stefan, ich glaube, dass du dich sehr für Astrologie interessierst, dass du vieles weißt und deinen Klienten, die sich von dir beraten lassen, sicher sehr viel Nützliches sagen kannst. Aber eines glaube ich dir ganz sicher nicht, nämlich, dass du selber an die Astrologie glaubst.”

Erst heute ist mir klar, dass er damit Recht hatte.

Meine Antwort auf die Frage, ob man an Astrologie glauben muss, ist daher ein klares “Nein”. Was vielmehr notwendig ist, ist die Offenheit, sich auf die Astrologie einzulassen und zu sehen, dass bzw. ob sie funktioniert. Was der Einzelne dann mit dieser Erkenntnis machen will und ob er sie sinnvoll nutzen oder beiseite schieben will, steht auf einem anderen Blatt und ist eine individuelle Entscheidung. Auch die Frage, wie viel von unserem Leben selbstbestimmt ist und wie viel “schicksalhaft” ist, wird hier noch zu beantworten sein. Ich bin nämlich sehr wohl der Ansicht, dass der Mensch sich zu seinem Schicksal verhalten und konstruktiv damit umgehen kann. Zwar mögen die Worte eines meiner Lehrer: “95% von dem, was Menschen ‘Schicksal’ nennen, ist in Wahrheit menschliche Dummheit”, etwas übertrieben sein. Aber ein Körnchen Wahrheit steckt in diesem Satz ganz sicher.

Anmerkung

Dieser Artikel ist aus der Überarbeitung und Weiterentwicklung früherer Artikel dieses Blogs entstanden.

Literatur

Jung, C. G. (2001). Synchronizität als ein Prinzip akausaler Zusammenhänge. Gesammelte Werke, Band 8 (Seiten 457-553). Walter Verlag.

http://de.wikipedia.org/wiki/Divination (Version 20.9.2013)

http://de.wikipedia.org/wiki/Karl_H._Pribram (Version 16.10.2013)



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